Am Samstag konnte ich eine 1600 GT 350 km durch den Schwarzwald jagen. So konnte ich mir ein Bild im Vergleich zu meiner 1300 GT machen. Hier meine Eindrücke:
Der Motor der 1600 ist erste Sahne. Ich war mit der 1300er schon sehr zufrieden, aber die 1600er ist für Tourer klar eine Klasse für sich: 40 km/h im sechsten Gang bergauf, ohne murren beim Beschleunigen sprechen eine deutliche Sprache! Die Kiste beschleunigt in jedem Drehzahlbereich sauber, am wohlsten fühlt sie sich aber zwischen 3500 und 6000 Touren. Die Charakteristik des Motors ist aber deutlich weniger sportlich als bei der 1300GT. Oben rum fehlen einfach ein paar Tausend Umdrehungen...
Auch der Sound, der aus dem Auspuff kommt ist richtig cool - besonders beim Starten läuft es einem kalt über den Rücken. Wenn das Startkonzert allerdings vorbei ist und mann nicht gerade am Gas zieht wird der geile Motorklang von einem schrecklichen Getriebejammern übertönt. Man kann einfach gar nicht anders, als sofort wieder Gas geben. Das Getriebegeräusch ist echt ätzend!
Das Getriebe schaltet sich leichter als bei der 1300 GT, das Schaltgeräusch ist aber genauso laut. Kein Wunder Dass BMW in der Mitte das M für Motor hat und nicht das G für Getriebe. Da können sich die Bayern noch deutlich was von den Japanern abschauen!
Die Sitzposition ist etwas entspannter als auf der 1300 GT. Der Kniewinkel ist größer, der Lenker kommt etwas weiter zurück; man sitzt eine Spur aufrechter. Als 1300 GT Fahrer fühlt man sich auf der 1600er sofort zu Hause. Die 1600er ist aber schwerfälliger als die 1300er. Man merkt das ganz deutlich beim direkten Umsteigen. Während der Fahrt auf der Landstraße verschwindet der Unterschied, aber beim Langsamfahren, beim Anfahren, beim Rangieren und beim Anhalten merkt man das zusätzliche Gewicht schon. Auch beim Slalomfahren merkt man das höhere Gewicht der 1600er deutlich. Ich kann die Aussagen der Tester in der Motorradpresse, dass die 1600er leichter zu bewegen wäre als eine 1300er wirklich nicht nachvollziehen! Nicht nur, dass das Gewicht höher ist, man sitz auch weiter hinten und passiver auf der 1600er. Das macht das Kurvenfegen zusätzlich träger. Ob's nur der nach hinten verlagerte Schwerpunkt, oder auch die Reifen, oder auch mein mangelndes Talent auf der neuen Maschine war kann ich nicht wirklich beurteilen, aber ich kann die 1600er nicht so präzise um die Kurven zirkeln wie die 1300er. Ich habe weniger Gefühl am Vorderrad. All diese Dinge sind geben nicht wirklich Anlass zur Kritik - das Grinsen auf meinem Gesicht beim Fahren der 1600er wurde dadurch nie gemindert. Der geniale Motor kompensiert einfach alles! Mein Erlebnis war nur komplett konträr zu dem was ich bis jetzt in der Fachpresse gelesen hatte und daher wollte ich Euch davon berichten.
Die 1600GT war mit Radio und Lautsprechern ausgestattet. Ich dachte nie, dass ich so etwas auf einem Moped haben wollte, fand es aber doch ganz angenehm. Erstens werden vom Radio die Staumeldungen in's Navi übertragen, zweitens unterbrechen die Navianweisungen nicht das Gequatsche mit meiner hinter mir fahrenden Frau über die Helmkommunikation, weil sie aus dem Lautsprecher kommen und drittens kann man extrem Eindruck schinden wenn man mit lauter Musik am Bike an einem Bikertreff anhält...
Die Bedienung der ganzen Elektronik ist aus meiner Sicht noch nicht völlig ausgereift: Der Bedienring am linken Lenkergriff ist so dick, dass selbst ein Mensch wie ich, mit Handschuhgöße 13 nicht ohne loslassen des Lenkers sauber den Blinker bedienen kann. Der Daumen ist für den Griff über den Bedienring einfach zu kurz! Die Instrumente sind für meinen Geschmack zu verspielt. Drehzahlmesser und Tacho sind so weit von einender entfernt, dass ich sie nicht beide mit einem Blick erfassen kann. Die breite Abdeckung der Zeiger in der Mitte der Rundinstrumente erschwert die Ablesbarkeit zusätzlich. Dort wo der Blick automatisch hinfällt (auf die Mitte der Anzeige) steht die überflüssigste Information wie Radiostation oder Außentemperatur. Das sieht alles sehr nach Amerikanischem Design aus: Effekthaschend, ohne Sinn für Ergonomie... Am besten man ignoriert das Kino und konzentriert sich auf die Straße - dann kommt das Grinsen auch sofort wieder in's Gesicht!
Super finde ich die 3 einstellbaren Fahr-Modi (Regen, Strasse, Dynamik), wobei der Dynamikmodus ein echter Heuler ist: Beim kleinsten Zucker an der Gashand sprintet die Kiste aus der Kurve so vehement los, dass die Arme immer länger werden... Den Nachteil dieses Modes spürt man beim Losfahren: Ich habe die Kiste zwei mal abgewürgt, weil ich das zu schnelle Aufheulen des Motors vermeiden wollte. Das eine Mal, passierte mir das beim Ausfahren aus der Tankstelle. Abwürgen in der Kurve kommt nicht gut bei dem Gewicht der Maschine - ich hatte ganz schön zu kämpfen um den Bock nicht umzukippen!
In der Fachpresse wir gelegentlich von einer unpräzisen, digitalen Kupplung berichtet. Ich konnte das nicht feststellen. Die empfand die Kupplung als sehr leichtgängig, gut dosierbar und präzise. Ob es da Produktionsschwankungen gibt?
Der Windschutz ist besser als auf der 1300 GT. Die Schultern bleiben auch bei hohen Geschwindigkeiten frei von Verwirbelungen. Die "Schweinsohren" funktionieren wirklich gut. Man kann sich Luftstrom auf den Körper sehr individuell einstellen. An der seitlichen Abrisskante der Verkleidung sind vor den Lenkergriffen Kanten, die die Luft um die Hände leiten. Selbst bei Regen wurden meine Handschuhe kaum nass! Einfach genial! Die Luftleitschlitze an den Koffern, die angeblich eine Verschmutzung des Hecks verhindern sollen funktionieren aber überhaupt nicht. So ein dreckiges Heck hatte ich noch nie auf einem Moped! Wenigstens konnte die Rennleitung so mein Nummernschild nicht lesen...
Zum Schluss der Spritverbrauch: Ich bekam die Kiste mit 80 km auf dem Tacho. Bei Übernahme war der Durchschnittsverbrauch bei 6.9 Liter. Mit 430 km gab ich die Maschine wieder beim Händler ab. Der Durchschnittsverbrauch war dann bei 5.8 Litern. Das ganze bei am Anfang verhaltener, dann immer forscher werdender Fahrweise über die Berge im Hochschwarzwald. Zum Schluss kam meine Frau auf ihrer F800 ST kaum noch nach! Ich finde den Verbrauch für einen derartig stark motorisierten Wohnzimmerschrank eigentlich sehr moderat...
Mein Fazit: Die 1600 GT ist eine noch angenehmere Tourenmaschine als die 1300 GT. Der Motor ist der absolute Tourenhammer! Mir gefällt sie auch besser. Sportlich orientierte Fahrer sollten sich aber den Umstieg von der 1300 GT auf die 1600 GT gut überlegen. Die 1300 GT ist leichter, Drehzahl-gieriger und stärker Vorderrad-orientiert als die 1600er. Mir hat es die 1600er aber angetan. Ich habe mich aber für die GTL entschieden. Wenn schon Tourer, dann richtig... In der ersten Maiwoche wird sie geliefert!