Warum nur …..
…. habe ich mir das angetan. Jetzt sitze ich hier, etwas verstört, eine Träne macht sich leicht im Augenwinkel bemerkbar und frage mich: „ Ist es das überwältigende Gefühl, was mich in den letzten 20 Minuten begleitet hat oder doch noch die Nachwirkungen der Erkältung der vergangenen Tage,“. Ich weiß es nicht. Aber lasst mich vorn beginnen.
Es begann im letzten Jahr im Spätsommer als unerwartet ein Schreiben meines Freundlichen eintraf. In der Betreffzeile stand dick, schwarz, unübersehbar: Letzte Mahnung!
Gefolgt von Zahlen, unerfreulichen Texten und einer Schlussbemerkungen, die mich an meiner Glaubwürdigkeit zweifeln ließ. Ein Betrag von ca. 250 Euro nebst Mahngebühren, Verzugszinsen und Bearbeitungsgebühren wurde eingefordert.
Ein Telefonat mit dem sonst so netten Verkäufer brachte Klärung. Es handelte sich um eine offene Rechnung für die Wintereinlagerung, die bereits im November des Jahres 2005 fällig war. Damals hatte ich bei Abgabe des Motorrades den geforderten Betrag bei dem neu angefangenen Verkaufspersonal, ausnahmsweise und entgegen meiner üblichen Vorgehensweise des Ausgleiches mittels Überweisung, per EC-Karte beglichen.
Bei einer Prüfung der Buchhaltung meines Freundlichen ist dann wohl im September 2006 aufgefallen, dass der Betrag wegen eines Fehlers im EDV-System des Hauptgeschäftes nicht abgebucht wurde. Was dann kam waren viele Telefonate, von freundlich bis fordernd, beschwichtigend bis anklagend – bis der Fehler gefunden wurde. Aber es kam noch schlimmer als der Freundliche feststellen musste, dass ich noch ein Guthaben in Höhe von 350 Euro bei im hatte. Eine unschöne, peinliche Situation, gefolgt von Entschuldigungen.
Aber lassen wir das. Es ist ja jetzt schon lange her und Alles hat sich aufgeklärt und ihr fragt euch sicherlich: „Was hat das mit den Gefühlsausbrüchen der letzten 20 Minuten zu tun?“
Nun, der Reihe nach. Verärgert durch die Vorkommnisse beschloss ich erstmalig mein Motorrad im Winter 2006 / 2007 nicht beim Freundlichen einzulagern sondern bei mir zu Hause. Im Wohnzimmer.
Der Platz war schnell gefunden, Ausreden und Argumente von „Kostengünstig“ über „Geld einsparen“ bis „keiner bräuchte mich dann aus dem 50km entfernten Standort des Freundlichen abholen und bringen“ reihten sich wie von selbst hintereinander und verschafften mir, wie ich später leidvoll feststellen musste, eine Scheinsicherheit die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Warum, frage ihr euch vielleicht? Ihr wisst selber wie verlockend der vergangen Winter für Motorradfahrer war. Und jeder, der ein Saisonkennzeichen sein Eigen nennt, hat sich sicher auch des öfteren die Frage gestellt, ob dies wirklich notwendig sei und das er die garantiert nicht noch einmal machen würde.
Aber lasst mich weiter erzählen von meinem Leidensweg.
Es begann bereits morgens auf dem Weg zum Bad. Meine K1200R stand unübersehbar, verlockend da. Ging ich nach dem Frühstück kurz in mein Büro, lachte sie mich an. Abends das gleich Bild. Sie stand da, fordernd, fast spöttisch lächelnd ob meiner Unfähigkeit ihrem Charme auszuweichen.
Unterbrochen wurde mein Leidensweg nur von den wöchentlich anfallenden Reisen und Übernachtungen in diversen Hotels. Dafür traf mich das Wochenende um so härter.
Gut dachte ich, so kann das nicht weitergehen. Du zerfleischt dich selbst, die Konzentration für den Beruf litt schon darunter. Eine kurze Analyse des Problems, ein Maßnahmenkatalog und schon ging es mir besser. Die Idee war eigentlich ganz einfach. Warum nutzte ich die Zeit nicht, mein von Haus her schon schönes Motorrad meinem individuellen Geschmack anzupassen. Gesagt und getan. Der Umbau begann.
Doch ich hatte nicht mit der Zuverlässigkeit einiger weniger und Unzuverlässigkeit mehrere Lieferanten gerechnet. So ergab es sich, das der Abschluss der Umbaumaßnahmen bereits Anfang Januar 2007 vollzogen war. Ich war zwar mit dem Ergebnis zufrieden, sehr sogar, aber das pochende, nagend Unmutsgefühl war wieder da. Und es wurde stärker, jeden Tag.
Da half alles nichts. Das Problem musste von Grund auf angegangen und eliminiert werden.
Nicht das stehende Motorrad war das Problem. Nein. Die fehlende Fahrfreude, die Stumpfsinnigkeit der sich stur von A nach B trockenen Hauptes Bewegung nagte an mir. Ich war der Lösung einen Schritt näher gekommen. Nun galt es, Stufe zwei des Maßnahmenplanes zur Vermeidung der sich in mir ausbreitenden Winterdepressionen zu zünden.
Das Auto, ein schnöder A6 3.0 TDI Quattro, musste weg, Sofort!
Auch hier half mir, wie bereits im November, meine Fähigkeit, Argumentationsketten aufzubauen. „Du hattest doch immer schon Ärger mit Audi“, „Rußpartikelfilter hat er auch nicht“ „Die Kinder sind doch schon fast aus dem Haus, wozu fährst du dann ein so unökonomisches Auto“.
Es half. Die Entscheidung stand. Der Wagen wurde dem Dealer vor die Tür gestellt und ein Neuer war schnell gefunden. Nissan 350Z.
Zugegebenermaßen traf die Entscheidung eigentlich mein Jüngster, dessen Worte der Begeisterung ich hier des Anstands halber nicht wiedergeben möchte. Nur soviel sei gesagt. Seine Augen bekamen einen mir sehr gut bekannten, seidenen Glanz, seine Hände berührten das Leder der Sitze, streichelnd, ja fast schon liebkosend. So kannte ich ihn gar nicht, meine fußballtretenden, mountainbikequälenden Sohn. Ich war beeindruck, vielleicht auch ein wenig Stolz.
Gut. Zurück zum Thema. Der neue Wagen nahm mir die Depressionen. Schlagartig! Das Ziel war erreicht. Bis es urplötzlich Ende Februar wieder in mir hämmerte. Jeden Tag, den sich der Monat dem Ende zuneigte wurde es stärker und stärker. An das Auto hatte ich mich längst gewöhnt, Die ersten 10.000 km hatten die Lust am Neuen schnell verfliegen lassen und der Alltag war wieder eingekehrt. Zwar erwischte ich mich noch des öfteren dabei, meinen Jüngsten morgens in der Schule vorbeizubringen, ich muss dazu sagen, dass ich dies sonst eher wegen des Umweges und der sehr guten Busverbindungen selten tue, aber der Reiz war verflogen.
Und dann kam diese Wochenende. Am Donnerstag hatte ich noch die Boten des Frühlings, morgens über unser Haus fliegen sehen. Kraniche. Frühling. Unwiderruflich. Und ich musste bis Samstag Abend auf ein Meeting. Aber am Sonntag, sagte ich mir, da werde ich sie, mein Motorrad, meine Sehnsucht, wieder auf die Straße führen.
Es kam anders. Bereits in der Nacht von Samstag auf Sonntag schlief ich schlecht. Eine ausgewachsene Erkältung hatte mich befallen. Hustend, niesend und mit fiebergerötetem Kopf schleppte ich mich vom Bett zum Sofa, vom Tisch zurück ins Bett. Es war zum aus der Haut fahren. Die Sonne schien, keine Wolke am Himmel, kein Termin diese Woche, das Saisonkennzeichen wieder aktiviert und ich krank im Bett. Womit hatte ich das nur verdient. Monatelang hatte ich mich gequält, mittels Ersatzbefriedigungen meinen Optimismus hochgehalten. Unsummen unnützen Geldes verschwendet – warum nur?
Und zu guter letzt traf heute Nachmittag noch ein kleines Päckchen ein. Von der Firma Schnitzer. Ein kleines Detail nur. Aber es brachte das Fass zum überlaufen.
Jetzt ist es mir egal, dache ich. Das Werkzeug hergesucht, die Fußrastenhalter demontiert und den schön geformten Auspuffhalter von Schnitzer montiert. Jetzt noch schnell die Batterie vom Ladegerät abgeklemmt, hinein damit, verschraubt. Fertig. Da stand sie jetzt fahrfertig, fordernd, keine weiteren Kompromisse duldend. „Du musst doch noch zur Apotheke“ schoss es mir durch den Kopf. Da war es wieder. Das verlorene Argument für eine Extrafahrt, einen Umweg, einen wichtigen Abstecher. Endlich!
20 Minuten später, völlig erschöpft, unbeschreiblich glücklich, vergessen die Entbehrungen der letzten Monate sitze ich jetzt hier und frage mich:
„Warum nur, warum in Herrgottsnamen hast du dir das nur angetan“