Platt in Niederbayern
Niederbayern, insbesondere der bewaldete Wald, bekannt als bayrischer, ist nicht nur schön, sondern auch ein Eldorado für Motorradfahrer und übertrifft Hügelkettchen, die sich nach stinkigem Käse oder missgestimmtes Land benennen, bei Weitem. Nicht nur wegen seiner schieren Ausdehnung, seiner Schönheit, sondern insbesondere auch wegen seiner weitgehenden Abwesenheit von Menschen. Möglicherweise ist ja schon bekannt, dass ich mich eher zu den Menschen zähle, die man als heimatlos bezeichnen muss, wegen mittlerweile knapp über zwanzig Wohnsitzwechseln in meinem noch jungen Leben. Nun, da der Teil des Menschen, den man gemeinhin als die bessere Hälfte (stimmt!) bezeichnet, aus genau dieser Ecke stammt, verschlägt es mich in wiederkehrenden Abständen in diesen schönen Teil der Welt, wenn auch nicht immer mit meiner schönen und schnellen Französin, sondern – und hier wäre mir mal wieder eine sehr elegante Überleitung geglückt – mit einem zwecks Sicherheit

Samstagnachmittag, auf der BAB Richtung Deggendorf. Von einem unterhaltsamen Radiosender bei Laune gehalten – es gibt das neue Bayern 3 Eis und die Hörer sind begeistert und berichten, wie sie das Eis erworben haben und wie sie es dann geschleckt haben, erst die blaue, dann die grüne Kugel- fahre ich zu einem Familienfest. Ich mache dies statt des gleichzeitig stattfindenden Motorradausflugs der Südfraktion unter Führung von Phönix, da ich erkannt habe, was eine umgekehrte Entscheidung für die eheliche Gütergemeinschaft bedeutet hätte. Meine Frau ist bereits dort, wo ich gleich sein soll, ich bin zu spät, kurzum, die Laune ist niedriger als die gewählte Geschwindigkeit mit der ich mich auf Deggendorf zu bewege. Als der Motor überflüssigerweise wieder wegen eines merkwürdigen Gentleman Agreements einiger deutscher Autofirmen abriegelt, stelle ich fest, dass ich vor plötzlich auftretenden Vibrationen nahezu nichts mehr sehe, die Breite der leeren Autobahn gerade mal ausreicht um nicht Bekanntschaft mit der Leitplanke zu machen. Dass mir mein Display mit einem lustigen "Ping" anzeigt, dass ich einen Reifendefekt habe, überrascht mich eher weniger. Dass ich das Ganze in völliger Gelassenheit cool und souverän bewerkstellige, den ehemals schnellen Selbstzünder wohlbehalten bis auf eine leichte Neigung hinten links auf dem Standstreifen zum Stehen bringe, überrascht all die, die mich kennen nicht wirklich. Dass sich dies, als der Stand erreicht war flugs änderte, eher schon. Flau im Magen wäre untertrieben.
Erstaunlichweise stieg ich aus, um festzustellen, dass hinten links außer einer angeschrammelten Felge nur noch ein paar schwarze Fetzen zu sehen waren. Nun, zwar hatte in 30 Jahren Fahrpraxis noch nie einen Platten, erst recht nicht einen Platzer, während der Fahrt, aber Reifenwechsel gehört zu meinen leichtesten Übungen. Also Klappe auf, Abdeckung weg und



An der Heckklappe prangt eine bunte Servicenummer. Gottseidank gibt es Handys! "Ja , grüß Gott , reifen defekt, geplatzt, kein Ersatzreifen, Hilfe!!!! "
Ja gerne – flöt -, wie kann ich Ihnen helfen? "Hä???" " Reifen kaputt, Auto fährt nicht!!!" Aber Ihr Wagen hat doch einen Runflat Tire!! "Ja und?"





„Bitte achten sie darauf, nicht schneller als 80 km/h zu fahren. Ich rufe für Sie gerne aber schon mal in der nächst gelegen Werkstatt mit Notdienst an, moment, das ist die Firma xy in Passau.“


Indignierte Stimme: ja gut, dann ordere ich eben die Mobile Hilfe, blabla.
Aufgelegt! Flaues Gefühl ist weg! Pochen im Kopf, im Hals, Rauschen in den Ohren. Aber gut, Hilfe kommt.




Mmhhh. Er habe viel zu tun, aber er käme vorbei! Hoffnung!!!
Knappe zwei Stunden später- seit dem Urknall also 2 Stunden 30 – kommt ein elegant gefärbter X5, hält und ein sehr freundlicher Einheimischer, den ich, viele andere aber wohl kaum verstehen. Er begutachtet meinen, den an meinem Auto, Schaden und stimmt mir zu, dass man damit nicht mehr fahren könne. Ich bin beruhigt!!! (Rauschen nimmt zu!)

Dieses Modell sei schwer zu bekommen! Ach? Und jetzt? Er könne versuchen einen aufzutreiben, habe aber eine Idee. Sprachs, setzt sich ein seinen eleganten X5, nicht ohne mir sein Wiederkommen anzukündigen und verschwand! Unglaublich wie einsam man sich samstags auf einem Standstreifen auf einer niederbayrische Autobahn vorkommen kann.
Nach knapp 90 Minuten – 4 Stunden nach Peng – erscheint mein Retter, mit einem Reifen und einer Felge, die an einem Kinderrad wegen Schwachbrüstigkeit abgelehnt worden wäre.
Ich darf im Schneckentempo nach Passau, dort verspricht man mir Rettung!
Kann sich jemand vorstellen, welche Häme man im Gesicht eines vorbeifahrenden Passatfahrers erblickt, wenn einen dieser überholt, während man seinen waidwunden PS starken PKW gen Passau schleppt?!
Knapp 80 km in weiteren 90 Minuten. Ich bin in Passau. Mein Retter empfängt mich mit der frohen Botschaft, dass der Reifen nicht da sei, er aber einen bestellen könne! Rauuuusch!
Die nächste Unterhaltung streiche ich!!!
Nach angeregter Diskussion wird einem nagelneuen, im Schaufenster stehenden 5er der 245 Breitreifen von der Achse gerissen, das Gummi von der Felge gezogen auf meine Felge gezogen und meiner ist wieder fahrbereit!!!!
Ich bedanke mich überschwänglich, bezahle den Betrag im Gegenwert eines MoutainBikes – mit dem ich übrigens, wenn ich dies statt des 272 PS starken PKWs gewählt hätte, bereits am Ort der Festivitäten wäre und mache mich davon. Dass ich 5 Minuten später einen Anruf des freundlichen Nothelfers bekomme und er mich zurück bittet, weil er vergessen habe, die Schrauben festzuziehen zeigt mir, dass ich mich im Ton nicht vergriffen habe und er an meinem Weiterleben interessiert ist.
Mit ca 6stündiger Verspätung erscheine ich am Ort des Festes. Mein Schwager fährt einen Passat, der andere einen Sharan…..Genau das was ich brauchte.

Pech gehabt? Oder Glück? Tja, was mir knapp 8 Wochen später nachts auf der Autobahn bei Walldorf widerfuhr, erzähle ich Euch dann ein anderes Mal - nur so viel, es hat etwas mit einem defekten Reifen zu tun, einem X5, der Firma Avis und der Wahl zwischen Toyota und Opel. Mehr dazu im dritten Teil.