
( muss wohl ein Roller, neudeutsch Scooter, gewesen sein, wobei der Name in keinem Zusammenhang mit dem Aussehen des Gefährts stehen kann, denn die bei dieser Gelegenheit vorgezeigten Schwarz - Weiß Fotos zeigten einen verwegenen jungen Mann, neben einem klobigen, schiffartigen Etwas) nach Skandinavien und in die Alpen. Da mein Vorfahr – ja ich gebe es zu – aus Westfalen stammt, hatten die Schilderungen dieser für die damalige Zeit schon erstaunlichen Ausflüge schon etwas von Marco Polos Entdeckung der Seidenstraße.
Wahrscheinlich wurde hier mein Entdecker-Gen geweckt, der mich noch heute auf jegliche Tom-Toms und Garmins verzichten lässt, mit der Folge, dass ich schon nach knapp zweistündiger Fahrt ab Haustür immer wieder überrascht bin, wo ich wieder gelandet bin. In dem Zusammenhang erinnere ich mich immer wieder ungern an die Übernachtung auf dem lauschigen jugoslawischen Platz, den ich nachts wegen akuter Übermüdung angesteuert hatte und den ich frühmorgens fluchtartig wieder verließ, nachdem die ersten startenden und landenden Düsenjets mich unsanft in meinem Eskimoschlafsack geweckt hatten. Ein Blick auf eine Karte vorher hätte mir einigen Ärger erspart, wäre aber wahrscheinlich nicht mit meinem Entdeckerdrang zu vereinbaren gewesen.
Aber darum geht es mir eigentlich nicht. Eigentlich geht es mir um die Suche nach dem kleinen Bazillus, der diesen lebenslänglichen Virus Motorrad in meinen zu der damaligen Zeit noch von Fahrrädern und Autos ( Frauen/Mädchen kamen ca 4 Wochen später) dominierten Körper getragen hat.
Ich muss wohl so um die 12 oder 13 gewesen sein, jedenfalls trugen die Mädchen damals Mini (sihe oben) und rückgerechnet kommt dies sowohl modetechnisch als entwicklungstechnisch bei mir hin, als zu unserer Clique eine alte NSU Quickly stieß.

Eigentlich lag sie irgendwo am Straßenrand, eigentlich hoffte der bisherige Besitzer wohl auf eine ordnungsgemäße Entsorgung im Zuge des damals schon existierenden Sperrmülls, doch rechnete er wohl nicht mit Neugier der Heranwachsenden. Gut, der Motor war nicht mehr vorhanden, aber ansonsten war das Teil komplett, Reifen nicht platt ( Run Flat sollten erst ein paar Dekaden später erfunden werden), Bremsen funktionierten (besser als bei mancher KR), also insgesamt in einem Zustand, der Spaß versprach. Also zogen wir 5 Halbwüchsigen mit diesem unserem Gefühl nach extrem tollen Teil von dannen, allerdings ohne genau zu wissen, was damit zu tun sei.
Seinerzeit war unser Treff eine heruntergekommenen Parkanlage, mit zwei Bänken, ca 34 geschickt verteilten Laubbäumen und einer leicht abschüssigen Rasenfläche, auf der die legendären Fußballspiele Talstraße gegen Schleestraße stattfanden. Ist aber ein anderes Thema.
Dort also zogen wir mit unserer „Maschine“ hin. „Schwere Maschine“ war damals noch ein enormes Qualitätskriterium. Leichtbau war schlecht, Leichtbau war mangelhaft, unseriös und zutiefst abzulehnen und so schoben wir unsere schwere NSU Quickly ohne Motor zu unserem Treff. Nachdem jeder von uns mal ein Runde gepost hatte – den Begriff gab es seinerzeit allerdings noch nicht – „eine Schau machen“, sagten wir, glaub ich zumindest, kam die wahnwitzige Idee, unser Geschoss den nahen Eierberg hochzuschieben und sich dann von dort wieder gen Tal hinunter zu stürzen.
Nun sollte ich, bevor der Leser dieser Zeilen den Eierberg im alpinen oder voralpinen Hochgebirge sucht, darauf hinweisen, dass ich zu dieser Zeit in Odenkirchen, seinerzeit zu Rheydt gehörig, nach der Gebietsreform auch bekannt als Mönchengladbach 3, lebte.
Und zwischen Odenkirchen und dem mehr oder weniger berühmten Sasserath, an der mittlerweile schon bekannten Talstraße gelegen, befindet sich ebendiese höchste Erhebung des gesamten Gebietes, mit amtlich beglaubigten 78 Metern über NN. Auf einem Feldweg geht die Diretissima ca. 40 Höhenmeter bergab. Und genau da wollten wir uns unsere ersten motorradtechnischen Sporen verdienen, umwelt- und klimaschonend ohne jegliche Motorkraft, nur auf die Kräfte der Schwerkraft vertrauend. Dass die Ausläufer des Eierbergs an der Talstraße endeten, muss dem Leser keinerlei Sorgen bereiten, denn zur Zeiten des Minirocks und der aufkommenden Hot Pants , hielt sich das Verkehrsaufkommen auf dieser Straße zumindest in Grenzen, wenn auch einige Ford Capri Fahrer die Strecke nutzten um auf den knapp 634 Metern zwischen den Ortschaften ( Sasserath und Odenkirchen) die Motorsporttradition der Gegend ( Schumi, Heidfeld sollten noch kommen, Hans Heyer, der mit dem Tiorlerhütchen, machte damals mit einem 6,3 Liter AMG Mercedes bereits Furore

Und das Thema war meine erste Fahrt mit einem Motorrad, OffRoad und ohne Motor ! Zunächst schoben wir mit vereinten Kräften das Teil hoch, Jochen, der dickste und älteste, ein miserabler Fußballspieler aber aufgrund seiner Fülle recht „durchsetzungsstark“, auch hilfreich bei strittigen Entscheidungen den Jungs von der Schleestraße gegenüber, war der erste. Johlend, lauter als jeder Quickly Motor je war, ging es bergab, allerdings nur kurz, da Jochen doch die ganz leichte Rechtskehre ( 3 Grad) nach ca. 50 Meter nicht schaffte, ins frisch gepflügte Feld rollte, stecken blieb, umkippte und schon im Aufstehen der Meute, die natürlich mitgelaufen war, schilderte, wie unglaublich klasse er alles gemeistert habe.
Dass ich der Zweite an der Reihe war, hatte weder mit Alter, noch mit Masse oder sonstigen Äußerlichkeiten zu tun, sondern ließ sich eher auf die Fähigkeit zurückführen, Menschen von Dingen zu überzeugen, die sie bis dato noch nicht wussten.
Heute würde wahrscheinlich jedes Elternpaar die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, die besten Anwälte insbesondere des amerikanischen Rechtsraums verpflichten, um sowohl die Firma NSU, als auch den gedankenlosen NSU Wegwerfer wegen Gefährdung Minderjähriger zu verklagen, wahrscheinlich auch die Stadt Mönchengladbach 3, wenn sie hören würden, was ich damals meine Eltern erzählte, wie ich mit „Karacho“ (gibts das Wort heute noch?) den Eierberg runtergefahren bin, nur zweimal gebremst habe. Einmal sogar nur einmal! Wie ich mich geduckt habe, um den Wind keine Angriffsfläche zu bieten und so noch schneller zu werden und dass ich, nach Messung mit Thomas Uhr ( dessen Uhr hatte einen Sekundenzeiger), von allen Fünfen der schnellste war und dass das Motorrad allerdings, nachdem Jochen es doch einmal bis ganz nach unten geschafft hatte, mit einem lauten schabenden Geräusch nicht mehr zu bewegen war. Ein unglaublicher Tag! Vergleichbar vielleicht nur noch mit einem Tag...... nee, ganz anders Thema!
Die Reaktion meiner Eltern war nur die Sorge, dass wir zuviel Krach gemacht hätten., Nee nich. Ja dann wär ja gut! Aufgeregt hat sich damals keiner. Nicht der Bauer, über dessen Feldweg wir hoppelten. Noch, die wenigen Spaziergänger. Heute würde wahrscheinlich eine Warnung im Radio erfolgen, zwischen zwei Gewinnspielen.
Ich bin seitdem nie mehr NSU gefahren, knapp 3 Jahre später kam für 120,-DM mit einer gebrauchten Goebel

Eierberg ist heute bebaut, Tempo 30 Zone, der Feldweg asphaltiert. Schade
Johannes